Die Grenzregion zwischen dem Tiroler Unterland und Bayern bildet seit vielen Jahren eine Euregio Region, die wirtschaftlichen Verbindungen werden täglich gelebt und gepflegt. Was jedoch derzeit politisch abläuft, bereitet den Unternehmern und den Menschen beidseits der Grenzen die größten Sorgen.
Aus diesem Anlass lud Euregio Inntal Präsident Walter Mayr zu einem Pressegespräch in die WK Kufstein. In diesem Rahmen schilderten Unternehmer und die Kammervertreter ihre Probleme.
Das Video zum PRESSEGESPRÄCH: „De-facto-Grenzsperre führt zu fatalen wirtschaftlichen Auswirkungen“ – WKO vom 4.3.2021 on
ist unter folgenenden Link abrufbar: Vimeo<https://vimeo.com/519933502/f6eed045cc> (Bildrechte: to be Media)
Georg Dettendorfer, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und selbst Speditions- und Frachtunternehmer schilderte die Probleme in der täglichen Arbeit. „Die Bürokratie ist mittlerweile unüberwindbar, um alle Regeln in Österreich und Deutschland einhalten zu können, müsste man 47 Seiten an Vorschriften täglich durcharbeiten!“ Seine Mitarbeiter und Fahrer sind am Verzweifeln, manche wollen sich eine andere Arbeit suchen. Die langen Wartezeiten an den Grenzen und an den Teststationen machen die Güterbeförderung unberechenbar. Lieferketten können nicht mehr eingehalten werden, auf bayerischer Seite mussten etliche Firmen ihre Produktion einschränken oder überhaupt aussetzen, weil die Rohstoffe aus Italien fehlen. „Wir machen teilweise Umwege über die Schweiz oder über Tarvis – das sind 250 Kilometer mehr“, erklärt der Unternehmer und IHK-Funktionär. Die zusätzlichen Kosten der Testungen und der Bürokratie verschlingen Unmengen an Ressourcen, die nicht an Kunden weiterverrechnet werden können. Dettendorfer befürchtet, dass etliche Transportunternehmen schließen werden.
Sofortige Aufhebung der de-facto-Grenzsperre
Als Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern bedankte sich Dettendorfer bei Tirol, das dazu beigetragen habe, dass für die bayrischen LKW-Fahrer das Testen möglich war, denn von bayrischer Seite her wurden diese zwar innerhalb kürzester Zeit verlangt, es gab aber keine Infrastruktur dafür. „Das alles zieht einen Rattenschwanz nach sich, von dem die Politiker keine Vorstellung haben“, kritisiert er. Er fordert daher die sofortige Aufhebung der Grenzkontrollen und zumindest die Wiederherstellung des Grenzregimes wie vor dem 14. Februar dieses Jahres. Auch der Abbau der bürokratischen Hürden auf ein Mindestmaß und die Einrichtung von zentralen Melderegistern muss sofort in Angriff genommen werden.
Gesellschaftliche Diskrepanz und überbordende Bürokratie
In dieselbe Kerbe schlägt der Geschäftsführer der Firma Halton Foodservice GmbH in Reit im Winkl, Heinz Ritzer. In der Firma arbeiten 70 Mitarbeiter aus Tirol. Durch gute Kontakte zu den Landratsämtern konnte die Einstufung als systemrelevanter Betrieb erreicht werden, wodurch den Mitarbeitern aus Tirol die Einreise nach Bayern möglich ist, der bürokratische Aufwand der Grenzkontrollen mit unterschiedlichsten Anforderungen und Tests ist jedoch enorm. „Es beschäftigen sich mittlerweile zwei Mitarbeiterinnen in der Firma ganztägig mit der Abwicklung der Grenzübertritts- und Testbürokratie,“ so Ritzer. Ritzer bemerkt auch die gesellschaftliche Spaltung der Belegschaft in der Firma in getestete Tiroler und ungetestete Bayern. „Die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Grenzschließung werden uns noch lange begleiten,“ so der Unternehmer aus Bayern. Aufträge werden nicht mehr an Tiroler vergeben.
Wolfgang Engl hat sein Kran- und Spezialtiefbauunternehmen in Schwoich, 50 Prozent seines Umsatzes macht er allerdings in Bayern. „Durch die De-facto Grenzschließungen sind wir über mehrere Tage nicht mehr zu unseren Baustellen und Lagerplätzen in Bayern gekommen, der wirtschaftliche Schaden für meine Firma bewegt sich pro Tag in einem fünfstelligen Euro-Bereich,“ berichtet Engl von den Problemen. Er sieht auch die Willkür an der Grenze als sehr problematisch. Manche Mitarbeiter kommen über die Grenze, manche werden trotz Papieren abgewiesen. „Ein deutscher Servicemann sollte zu uns kommen um eine große Maschine zu reparieren. Das war unmöglich. Wir mussten die Maschine verladen und auf einer Baustelle in Grenzraum wurde sie dann von diesem Mann repariert“, sagt Engl. Sehr große Probleme bereitet ihm auch die Unsicherheit und fehlende Planbarkeit von zukünftigen Projekten. Er bekommt Aufträge von langjährigen Kunden nicht mehr, weil denen die Lage zu unsicher ist, ob und wann er wieder ungehindert in Bayern arbeiten darf.
„Unsere Region ist so eng miteinander verbandelt. Es kann doch nicht das Ziel der Politik sein, dass Arbeitsplätze verbrannt werden“, zeigt sich Hautz entrüstet. Der WK-Obmann berichtet auch über unzählige Beschwerden von Unternehmen, die aufgrund der Grenzschließung nicht mehr nach Bayern können. „Der Berufsverkehr ist beinahe zum Erliegen gekommen, es gibt fast keine Möglichkeit mehr für Handwerker beidseits der Grenze Aufträge auszuführen bzw. angefangene Aufträge fertig zu stellen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind fatal, es drohen Wertschöpfungsverluste in schwindelerregender Höhe, wenn die Vernunft bei der Politik nicht bald zurückkehrt,“ so Hautz. Das Bild von einer Grenze zwischen Tirol und Bayern, bei der die Polizei und das Militär mit Sturmgewehren Kontrollen durchführt, wird nachhaltig extrem negative Auswirkungen haben. Der Schaden, den unsere Politiker angerichtet haben ist immens. Er fordert auch aufgrund des Rückganges der Südafrika Mutante und der aktuellen Maßnahmen mit Impfungen eine sofortige Wiederherstellung des Grenzregimes vor dem 14. Februar.
Auch Dettendorfer kritisiert die mangelnde Abstimmung zwischen München, Innsbruck, Berlin und Wien. „Die Verantwortlichkeiten werden hin und her geschoben. Die Landratsämter wissen oft gar nicht Bescheid“, sagt er. Fast jeder zweite Unternehmer in Bayern und 85 % der Tiroler Unternehmen sind negativ von den Auswirkungen der Grenzschließung betroffen– zeigen Blitzumfragen der IHK und der Wirtschaftskammer Tirol.
Prof. Walter Mayr, Präsident der Euregio Inntal verwies darauf, dass allein 6.000 Arbeitnehmer täglich nach Bayern pendeln. Für ihn wäre es wichtig einen Grenzbezirk zu definieren, in dem man sich frei bewegen kann.